Papierhaus
Ich habe mir ein Leben in einem Papierhäuschen gebaut,
habe einmal durchs Fenster hinausgeschaut
und habe es für zufriedenstellend empfunden
und drehte in diesem Häuschen meine eigenen kleinen Runden.
Es war alles nett und fein eingerichtet,
alle Komponenten waren richtig gewichtet
und es lebte sich bequem,
mein Tisch, mein Stuhl, mein eigenes kreatives Ablagesystem.
Alles in diesem Häuschen stand am richtigen Ort,
meine Musik, mein Takt, mein Akkord,
niemand konnte ihm etwas anhaben,
egal wie viele Hindernisse sie meinem Häuschen auch gaben.
Und ein einziger Blick von dir kann alles verändern,
auf einmal gibt es Wellen in meinen Papierseitenrändern
und die Welt, die ich mir gerade noch so passend zurechtgeschnitten habe,
neigt sich nun zur anderen Seite der Waage.
Ich hatte mir doch geschworen, nicht mehr zu vertrauen,
hatte gerade begonnen, eine Schutzmauer um mein Häuschen herumzubauen
und auf einmal malst du Farbe auf diese Mauern
ohne ihre Veränderung auch nur das kleinste bisschen zu bedauern.
Alles beginnt sich auf einmal zu bewegen
und wir beide beginnen zu schweben
und drehen im Himmel unsere Kreise,
aber eben jeder auf seine eigene Weise.
Du hast mir Luftschlösser gebaut
und ich habe mich die waghalsigsten Sachen getraut,
wir waren einfach verrückt,
und der Welt für Monate ein kleines bisschen entrückt.
Du hast mein Häuschen verbreitert,
hast seinen Horizont erweitert,
denn der Himmel war nicht mehr genug,
er vergrößerte sich mit jedem Atemzug.
Irgendwann bekomme ich Angst, die Augen zu schließen,
denn mit geschlossenen Augen kann man nur halb so gut genießen,
sodass ich jeden einzelnen der Sommerabendstrände für dich in Erinnerung behalte
und alle Erinnerungen in meinem Herzen für dich verwalte.
Jeder Fleck, den du dir mit Eis auf’ s T-Shirt kleckerst,
jede Situation, in der du leise vor dich hinmeckerst,
alles wird abgeheftet und einsortiert
und für den späteren Gebrauch in meinem Herzen konserviert.
Denn eigentlich weiß ich ja, was irgendwann passieren wird,
was passieren wird, wenn man sich im Alltagsdschungel einfach verirrt.
Wenn auf einmal die Gewohnheit das Leben regiert
und sich Liebe mit „kein Streit“ definiert.
Dann wirst du dich langweilen,
und das Gefühl haben, das Leben wird an dir vorübereilen
und du musst auf diesen Lebenszug aufspringen,
um der Welt deine Botschaft zu überbringen.
Du musst dann raus aus dieser Stadt,
denn hier leuchten dir alle Lichter immer ein kleines bisschen zu matt,
du willst die Welt erleben,
willst die Geschichte und die Zukunft miteinander verweben.
Und da habe ich dann keinen Platz mehr,
und du bereust es auch gar nicht allzu sehr,
dass das mit uns ja nur „was Kurzes“ gewesen ist
und du jetzt wieder den Pegel in deinem eigenen Leben misst.
Und dann sitze ich wieder hier,
vor mir Schere und Papier
und muss das Haus, das du zum Einsturz gebracht hast, wieder aufbauen,
und muss wieder durch das Fenster nach draußen schauen,
um auf den nächsten deiner Art zu warten
und sehe auf unzähligen Eisenbahnfahrten,
die Welt an mir vorüberziehen
und denke daran, meinem Häuschen einfach zu entfliehen,
und denke daran, dass du alles da draußen schon gesehen hast
und jeden Tag neue Entschlüsse fasst.
Doch ich kehre immer wieder zurück,
und bin meiner kleinen Welt schon fast wieder ein bisschen zu verrückt
und warte auf den nächsten, der mein Häuschen sehen will
und der Lauf der Zeit in ihm und dir steht niemals still.
Und mein Häuschen wird vom Strudel davongerissen,
und ich will über die Zukunft auch gar nichts mehr wissen,
denn inmitten von aufgeweichten Papierrändern lebt es sich nicht leicht
und so kommt es, dass sich ganz plötzlich, auf einmal, der Traum der Realität angleicht.
Und auf einmal bin ich auch in der Welt da draußen,
sehe mein fast unsichtbares Häuschen mal von außen
und sehe die Traumwelt, in der ich lebe,
und der ich nun langsam entschwebe.
Und du sagst mir, dass die Realität nicht einfach ist,
aber ich glaube, dass du eben immer wieder vergisst,
dass wir zusammen alles schaffen können,
wenn wir dem Anderen nur auch ein kleines Stück der Freiheit gönnen.
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